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DAS IMMUNSYSTEM des Hundes

  • von Lilli Nastl
  • 11 März, 2022

Jeder Organismus braucht Schutz vor Eindringlingen und Erkrankungen und muss gleichzeitig in der Lage sein, seine Gesundheit stabil zu halten.

Diese Aufgabe übernimmt das Immunsystem. Es ist rund um die Uhr damit beschäftigt, mögliche Erreger zu identifizieren und zu eliminieren, aber auch abgestorbene oder entartete Zellen im Körperinneren zu entsorgen. Dabei muss es den Überblick behalten, welche Zellen zum Organismus gehören und welche nicht, sprich: was sind körpereigene und was körperfremde Zellen.

Zellen des Immunsystem sind die weißen Blutkörperchen, die sogenannten Leukozyten. Von ihnen gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Zelltypen, die alle ihre spezielle Aufgabe erfüllen.

Das Immunsystem ist ein komplexes, faszinierendes System, bei dem verschiedene Bereiche teilweise sehr eng miteinander verflochten sind, um effektiv arbeiten zu können.

Wie dieses System funktioniert, welche Faktoren eine wichtige Rolle spielen – darüber möchte ich Euch in diesem Beitrag einen groben Überblick geben.

Das Immunsystem gliedert sich zunächst mal in 2 Teile:

- das angeborene Immunsystem   und                         
- das erworbene Immunsystem

DAS ANGEBORENE IMMUNSYSTEM

… schützt den neugeborenen Welpen von Beginn an vor Eindringlingen, die ihm schaden könnten.
Dabei geht es relativ grob und unspezifisch vor und bekämpft alles, was es für „fremd“ hält. Und es geht jedes Mal gleich vor, lernt also kaum bis gar nicht dazu.

Das Wichtigste für ein Neugeborenes gleich nach der Geburt ist das Trinken der Muttermilch, dem Kolostrum. Die Muttermilch enthält viele Antikörper, die von der Mutterhündin produziert wurden. Somit ist das erste Nuckeln auch gleichzeitig die erste Immunisierung für den Welpen.

Zum angeborenen Immunsystem zählen u.a. Barrieren wie die Haut, die Schleimhäute und die natürliche Bakterienflora im und auf dem Hundekörper.

.) Die Haut kann ein erstes Eindringen von Fremdkörpern durch ihre Struktur, ihren pH-Wert und den Talg und Schweiß verhindern.

.) Schleimhäute in den Körperöffnungen und im Inneren des Körpers verhindern ebenfalls durch ihren Schleim ein Vordringen von Erregern.

.) Die Tränenflüssigkeit der Augen verhindert ein Eindringen von Erregern über die Augen.

.) Der Speichel des Hundes hindert durch seine Enzyme gewisse Bakterien daran, weiter in das Körperinnere vorzudringen.

.) Die natürliche Bakterienflora sitzt einerseits auf der Haut und andererseits im Darm. Die Darmflora ist ein wichtiges Instrument für ein gut funktionierendes Immunsystem (und natürlich für eine gut funktionierende Verdauung). „Gute“ Darmbakterien, die den Organismus unterstützen, können „schlechte“, weil schädigende Bakterien eliminieren. Außerdem sitzen an die 70-80% der Antikörper-produzierenden Immunzellen in der Darmschleimhaut.

Im angeborenen Immunsystem befinden sich Zellen – Makrophagen, Granulozyten, dendritische Zellen - und lösliche Anteile, wie verschiedene Enzyme, die antibakteriell wirken, oder Interferone, die Botenstoffe für andere Zellen des Immunsystems darstellen, und Stoffe aus dem sogenannten Komplementsystem, das als Bindeglied zum erworbenen Immunsystem agiert.

Monozyten... 
gehören zu den Fresszellen. Dazu schwimmen sie in der Blutbahn und scannen die Umgebung nach Eindringlingen ab. Erkennen sie einen Fremdstoff, nehmen sie ihn auf und zerlegen ihn mithilfe verschiedener Enzyme, wobei sie einen Teil des fremden Proteins an ihrer eigenen Oberfläche binden, um ihn im nächstgelegenen Lymphknoten den Zellen der erworbenen Immunabwehr zu präsentieren.
Das ist geniale Teamarbeit, denn dadurch sind die Lymphozyten (erworbenes Immunsystem) in der Lage, diesen Fremdstoff zu erkennen und sich darauf zu spezialisieren. Somit ist die Bekämpfung dieses Erregers weitaus effektiver.

Makrophagen...
sind Monozyten, die die Blutbahn verlassen haben und in ein Gewebe eingewandert sind.

Granulozyten...
arbeiten nach demselben Prinzip: „Wir fressen alles, was fremd ist“. Auch sie umschließen wie die Monozyten einen Erreger mit ihrer Zellwand und zerlegen ihn in seine Einzelteile.

Sie arbeiten nur ein wenig spezialisierter, daher gibt es auch 3 Arten von ihnen:

- die neutrophilen Granulozyten sind auf Eliminieren von Bakterien spezialisiert. Diese fressen sie gleich am Fundort und sterben danach meist selber ab. Geschieht das mit einer großen Anzahl dieser Immunzellen, entsteht Eiter. Eiter ist also meistens ein Hinweis darauf, dass Bakterien an der Infektion beteiligt sind.

- die eosinophilen Granulozyten haben sich auf die Parasiten-Abwehr spezialisiert. Sie sind aber auch Teil des Allergie-Geschehens.

- die basophilen Granulozyten sind weniger im Blut, sondern eher im Gewebe tätig. In ihrem Inneren befindet sich Histamin, das wiederum für die Entstehung von Entzündungsreaktionen zuständig ist.


Dendritische Zellen leben in Arealen, wo die Chance auf Kontakt mit einem Erreger groß ist, also auch im Gewebe – wie die Monozyten/Makrophagen. Auch sie präsentieren Proteinteile des Erregers und machen damit Zellen des erworbenen Immunsystems auf diesen Eindringling aufmerksam. Dabei sind sie noch effektiver als die Monozyten.

Mastzellen reagieren sehr schnell auf einen Eindringling. Sie sind ebenfalls meist dort zu finden, wo am ehesten Kontakt zu einem Fremdstoff entsteht, wie z.B. in der Haut, wo sie dann Stoffe wie Histamin oder Prostaglandine ausschütten, die zu Entzündungen und Juckreiz führen können. Auch bei allergischen Reaktionen werden sie meisten als Erstes aktiv.

Das Bindeglied zwischen dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem nennt sich Komplementsystem. Es befindet sich im Blut, reagiert auf das Eindringen von Erregern und gibt dabei Stoffe in die Umgebung ab, um sämtliche andere Immunzellen anzulocken. Es löst auch Entzündungsmechanismen aus, die oftmals zu Bekämpfung eines Erregers notwendig sind.

DAS ERWORBENE IMMUNSYSTEM

Wie man aus dem Namen schließen kann, ist dieses Immunsystem sehr lernfähig. Es braucht als Erstes den Kontakt zu einem bestimmten Erreger, um ihn zunächst identifizieren und im nächsten Schritt bekämpfen zu können. Das dauert bei Erstkontakt ein paar Tage, dafür reagiert es bei wiederholtem Kontakt um vieles schneller, spezifischer und effektiver.

Der Kontakt zum Erreger wird über Monozyten und dendritische Zellen des angeborenen Immunsystems hergestellt, die Proteinteile des Erregers in die Lymphknoten bringen, in denen das erworbene Immunsystem hauptsächlich sitzt.

Und bei jedem Kontakt lernt das erworbene Immunsystem dazu!

 

Lymphozyten sind die wichtigsten Zellen des erworbenen Immunsystems. Sie befinden sich in den Lymphknoten und Lymphgefäßen und vor allem in der Darmwand. Sie sind jeweils auf einen Fremdstoff (Antigen) spezialisiert.

Natürlich kann man auch hier bezüglich ihrer Aufgaben, Arbeitsweisen und anhand ihrer Rezeptoren unterscheiden in:

- B-Lymphozyten (B-Zellen), die im Knochenmark gebildet, in den primären lymphatischen Organen (Knochenmark) antrainiert werden und über die Blutbahn an ihren einstweiligen Zielort, z.B. den Lymphknoten oder die Milz, wandern. Dort reifen sie heran und entwickeln sich nach ihrer Aktivierung zu Plasmazellen, die dann Antikörper gegen den Erreger bilden können.

B-Zellen können auch sogenannte Gedächtniszellen bilden, die – zurückgezogen in ihrem Ursprung, dem Knochenmark – bei Bedarf = Kontakt zu Erreger sofort wieder Antikörper abgeben können.

B-Zellen brauchen keine Monozyten oder dendritische Zellen, die ihnen erstmalig den Fremdstoff zeigen, um diesen dann an sich zu binden

- T-Lymphozyten dagegen brauchen diese Präsentation durch Monozyten schon. Auch sie werden im Knochenmark gebildet, reifen dann im Thymus heran (daher auch der Name „T-Lymphozyten“). Im Thymus werden sie darauf trainiert, welche Proteine zum Organismus gehören und welche nicht. Erst reife T-Zellen, die den Unterschied gelernt haben, kommen zum Einsatz, sie werden dabei durch sogenannte T-Helferzellen unterstützt

- natürliche Killerzellen (NK-Zellen) unterstützen B- und T-Zellen in ihrer Arbeit, sind zwar bis zu einem gewissen Grad anpassungsfähig, bilden jedoch kein immunologisches Gedächtnis. Sie reagieren auf Zellen, die auffallen, weil sie sich anders als gesunde Zellen verhalten, wie z.B. eine mit einem Virus befallene Zelle oder eine Tumorzelle, und eliminieren sie.

BOTENSTOFFE

Um einen regen Austausch zwischen dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem sicherzustellen, braucht es zuverlässige Informationsträger. Diese werden über sogenannte Zytokine bereitgestellt.

Zytokine sind Botenstoffe, die von den Zellen ausgeschüttet werden und dadurch andere Zellen alarmieren und aktivieren. Dazu zählen Interferone, Interleukine und andere Stoffe. Diese Botenstoffe wirken entweder auf die Zelle selbst, die sie ausgeschüttet hat oder in der direkten Umgebung auf benachbarte Immunzellen oder sie alarmieren über die Blutbahn weiter entfernte Immunzellen, die dadurch angelockt werden oder gleich direkt am Aufenthaltsort systemisch (über den ganzen Körper) ihre Wirkung entfalten, z.B. Fieber auslösen.

Ein Beispiel:

Verleibt sich ein Monozyt einen Erreger ein, transportiert er ihn zu einem Lymphknoten, dort wird er von einem
T-Lymphozyt erkannt, der diesen Erreger schon kennengelernt hat. Schon in dieser Phase werden über Botenstoffe weitere Immunzellen aktiviert. B-Lymphozyten, die den Erreger ebenfalls schon kennen, schließen sich mit den T-Lymphozyten zusammen und bilden spezialisierte Bildungszentren. In diesen Zentren vergrößern und teilen sich die B-Lymphozyten, sie entwickeln sich zu sogenannten Plasmazellen, wandern ins Blut ab und bilden dort sogenannte Antikörper.

Diese Antikörper kennen wir als Immunglobuline, kurz Ig. Von Blutbefunden oder Allergie-Tests kennen wir die Bezeichnungen IgA, IgE, IgG oder IgM. Das sind Kurzbezeichnungen für vorhandene Antikörper, die je nach Buchstaben (A,E,G,M) auch einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden können.

- IgA befinden sich z.B. auf den Schleimhäuten,

- IgE arbeiten mit den Mastzellen eng zusammen und verursachen allergische Reaktionen, sie sind auch für die      Parasitenabwehr wichtig,

- IgG sorgen für einen langanhaltenden Schutz gegen Erreger,

- IgM werden meistens als erstes vom B-Lymphozyt gebildet und deuten auf eine akute Infektion hin.


All diese Reaktionsschritte – vom ersten Erkennen eines Erregers durch Immunzellen bis hin zur Elimination und Antikörper-Bildung zum Wiedererkennen und Abwehren jenes Erregers – werden von oben genannten Botenstoffen begleitet.

Da verschiedenste Erreger auch ständig neue Strategien entwickeln, um die Immunabwehr eines Wirts auszutricksen, muss auch die Immunabwehr eines Organismus ständig „Up to date“ sein, um weiterhin seine Schutzfunktion aufrecht erhalten zu können. Das ist eine Höchstleistung des Immunsystems! Wir als Hundehalter können das Immunsystem des Hundes allerdings gut mit einer ausgewogenen Ernährung, mit ausreichend Bewegung und einem Umfeld, in dem sich der Hund wohlfühlt, unterstützen.

 

Wie wir sehen, ist der Ablauf einer Infektion mit einer ganzen Kaskade an Abwehrmechanismen verknüpft. Eine richtige Infektion bemerkt man daher erst, wenn alle diese Mechanismen von einem Erreger überwunden werden konnten und somit der Organismus tatsächlich geschädigt werden kann. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der Tierarzt oder die Tierärztin eingreifen und dem Organismus mit verschiedensten medizinischen Präparaten helfen, den Eindringling zu eliminieren. Dies geschieht z.B. mit Antibiotika gegen Bakterien-Befall.

Prophylaxe durch Impfungen

Natürlich kann man bei gewissen Erkrankungen bereits im Vorfeld die Immunabwehr trainieren in Form von Impfungen. Dabei wird „künstlich“ eine Infektion hervorgerufen, die dem Organismus ermöglicht, eine Abwehrstrategie - z.B. in Form von Antikörpern – zu erlernen. Hat der Hund dann tatsächlichen Kontakt mit dem Erreger, kann sein Immunsystem bereits effektiv darauf reagieren.

Zu beachten ist allerdings, dass auch eine derart hervorgerufene Infektion für das Immunsystem des Tieres eine gewisse Belastung darstellt. Ob eine Impfung sinnvoll ist, muss daher unbedingt mit dem Tierarzt oder der Tierärztin abgeklärt werden, da auch viele Faktoren – wie Gesundheitszustand, Alter, Risiko, noch bestehender Schutz etc. – eingeschätzt werden müssen.

Da in der heutigen Zeit diese Überlegungen – zumindest beim Menschen – offenbar keine Rolle spielen, möchte ich hier etwas zu bedenken geben: In Abständen, aber immer wieder über längere Zeit das Immunsystem künstlich zu provozieren, indem man ständig nachimpft, kann das Immunsystem derart überfordern, dass es zusammenbricht! Ein geschwächtes Immunsystem öffnet jedoch für alle Arten anderer Erkrankungen und Erreger Tür und Tor! Ob damit der Gesundheit und deren Erhaltung gedient ist, sei hier offen gelassen …….

 

Wenn Ihr nun zukünftig den Blutbefund Eures Hundes in Händen hält, könnt Ihr einige Parameter nun besser interpretieren (oder zumindest besser verstehen, was Euch der Tierarzt/die Tierärztin erklärt :)), denn die meisten Blutzellen sind beim großen Blutbild ausgewiesen. Macht Ihr einen Allergie-Check, werden auch die Antikörper mit ausgewiesen.
Am besten ist jedoch immer, schon im Vorhinein auf die Gesundheit zu achten und ein stabiles Immunsystem zu unterstützen. 






alle Grafiken wurden erstellt von Lilli Nastl
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